Vom Workshop direkt auf die große Bühne: Der Sängerbund Grötzingen verzaubert das Publikum mit „Maybebop meets choir“

AICHTAL-GRÖTZINGEN. Am Samstagabend gab es in der Mehrzweckhalle Grötzingen eine Veranstaltung mit experimentellem Hintergrund: der Sängerbund Grötzingen hatte ein Konzert mit dem vielversprechenden Titel „Maybebop meets Choir“ organisiert, eine Mixtur aus den Programmen des vereinsinternen Chors und des hannoveranischen A-cappella-Quartetts Maybebop. Dabei sollten aber nicht nur Auszüge aus den jeweils eigenen Repertoires zum Vortrag kommen, sondern auch gemeinsam erarbeitete Stücke präsentiert werden.

Das Angebot, zusammen mit einem Chor etwas auf die Beine zu stellen, hatte der Sängerbund der Internetseite von Maybebop entnommen und sich sofort angesprochen gefühlt. Aber auch für die Hannoveraner handelte es sich hierbei um eine Premiere: mit dem hiesigen Sängerbund lud zum ersten Mal kein professioneller Chor, sondern ein Verein zur Session. In einem einmaligen vierstündigen Workshop am Samstagmittag trafen sich schließlich rund 75 Sängerinnen und Sänger, sowohl aus den eigenen Reihen als auch aus anderen befreundeten Vereinen, mit den vier charmanten Herren von Maybebop, um alles Mögliche auszuprobieren und den eigenen Horizont zu erweitern. So wurde der Chor in Grüppchen unterteilt, die jeweils ein Mitglied von Maybebop unter die Fittiche nahm: von Jan Bürger erfuhren die Vereinsmitglieder, wie man auf der Bühne Ausstrahlung und Präsentation verbessern kann, Sebastian Schröder, der (Mund-)Bassist der Band, brachte seinen Schützlingen einiges über Stimmbildung bei, Lukas Teske demonstrierte, wie Mouthpercussion funktioniert, und Oliver Gies arbeitete mit den Anwesenden am chorischen Gesang.Dabei zeigten sich die Angehörigen der Gesangvereine begeistert von der ungezwungenen Atmosphäre, in der man mit den Profis nach Herzenslust üben und einstudieren konnte, und nicht zuletzt durch eine kleine Fußball-Einlage während eines Päuschens war den vier Sangeskünstlern die Gunst aller Anwesenden sicher.In entsprechend hoher Erwartung befand sich das bunt gemischte Publikum, das am Abend die Mehrzweckhalle füllte. Dorothea Labudde-Neuman, die Moderatorin der Veranstaltung, betonte zunächst, dass der Abend unter dem Zeichen der Improvisation stehe, weshalb auch keine Programme ausgehändigt wurden. Was im Anschluss folgte, war allerdings zunächst alles andere als improvisatorisch: der Sängerbund Grötzingen gab unter der Leitung von Monika Grohmann einen Auszug aus seinem vielseitigen Programm zum Besten und konnte das Publikum schnell mit gekonnt und ungewöhnlich arrangierten Kanons für sich gewinnen.

Das lebendig inszenierte Auftaktlied „Top of the World“ wurde vom Chor ebenso überzeugend vorgetragen wie das emotionale Stück „Sun and Moon“ aus dem Musical „Miss Saigon“, und auch bei den rhythmischen Gospels sprang der Funke in den Zuschauerraum über. Eines der Highlights war eine Longversion von „Auf der Schwäb’sche Eisebahne“, bei dem das sonst so fröhlich geschmetterte „trullala“ letztendlich im Kirchenchoral-Style interpretiert wurde.

Sprech-Kanon über das Kaffeetrinken

Die beiden Stücke, die Oliver Gies während des Workshops mit dem Chor einstudiert hatte, rundeten den ersten Teil ab: ein Kanon, der jahreszeitgemäß vom Herbst handelte, und ein Sprech-Kanon über das Kaffeetrinken, Kuchenessen und Teetrinken wurden mit Elan und, dank Giesens körperlichem Einsatz als Dirigent, auch mit beachtlichem Erfolg präsentiert.

Den zweiten Teil des Abends bestritten Maybebop mit Auszügen aus ihrem Programm „Superheld“. Und dass hier Nomen Omen bedeuten muss, daran hatte in kürzester Zeit sicherlich niemand mehr Zweifel. Die Stimmkünstler versetzten die Zuhörer nicht nur mit erstklassigem Gesang und perfekter Imitation verschiedenster Instrumente in Hochstimmung, sondern auch mit einer grandiosen Bühnenperformance und komödiantischen Einlagen, die brüllendes Gelächter auslösten. Da wurde schon mal der Oberlippenbart alias „Pornobalken“ musikalisch durch den Kakao gezogen oder aus der Verschiedenartigkeit von Seifenspendern auf öffentlichen Toiletten eine soziologische Studie gemacht. Auch mit dem bekannten „Mein kleiner grüner Kaktus“ in einer Art Rammstein-Version und einem Medley aus diversen Boyband-Auftritten – natürlich nicht, ohne das Publikum vorab instruiert zu haben, um die obligatorischen Kreischattacken sicherzustellen – heimsten die vier smarten Jungs rauschenden Beifall ein.
Den stimmungsvollen Abschluss des Abends bildete „Ade nun zur guten Nacht“, das der Chor mit instrumentaler Unterstützung aus den Kehlen von Maybebop zu Gehör brachte. Etwas in der Chorszene bewegen, Ideen umsetzen, neue Akzente setzen – das war und ist das Ziel des Sängerbundes Grötzingen, und das ist mit der Veranstaltung „Maybebop meets Choir“ sehr gut gelungen.
Die Mischung aus hiesiger Sangeskunst und, sowohl im musikalischen wie im komödiantischen Sinne, hervorragender professioneller Unterhaltung hat den Anwesenden einen tollen Samstagabend beschert.

Mit vollem körperlichen Einsatz dirigierte Oliver Gies die Chorsänger.

Susanne Römer – NTZ vom 13.08.